Fiktive Zeitreise wird reales Buch
- Zuletzt aktualisiert am 19. Mai 2012
- Veröffentlicht am 19. Mai 2012
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Gymnasiasten schlüpfen in Rolle von Jugendlichen im Nationalsozialismus
BAD ZWISCHENAHN - Zwei Jahre – so lange dauert die gymnasiale Oberstufe. Zwei Jahre, in denen man sich langsam an den Ernst des Lebens gewöhnt. Zwei Jahre, in denen viele mehr lernen, als für das Bestehen des Abiturs nötig. So auch die Teilnehmer des Seminarfachkurses FG1 am Gymnasium Bad Zwischenahn-Edewecht unter der Leitung von Christine Metzen-Kabbe.
Das Seminarfach ist ein Fach, das sich ungeachtet der üblichen Einschränkungen frei mit bestimmten Themen auseinandersetzt, solange die Schüler in diesem Rahmen seine sogenannte Facharbeit abgeben. Der erste Schritt auf dem Weg zum wissenschaftlichen Arbeiten.
Doch neben dieser Facharbeit bietet das Seminarfach auch noch die Möglichkeit, kreativ mit verschiedenen Themen umzugehen. So arbeitete besagter Kurs zwei Jahre zu dem Thema Nationalsozialismus. Im Gegensatz zu dem üblichen geschichtsunterrichtlichen Ansatz ging es in ihrer Bearbeitung nicht um das Schicksal weit entfernter und anonymer Menschen. Es ging um Menschen aus dem Ammerland, die das schreckliche Schicksal teilten, aber für Ammerländer Jugendlichen doch sehr viel greifbarer sind. Unter diesen Gesichtspunkten erarbeiteten die Schüler nicht nur wissenschaftlich, wie sich die Jugend damals wohl fühlte, sondern auch literarisch.
Kooperation mit Verlag
Das Projekt, an dessen Ende das Buch „Brücken bauten sich auf“ steht, entstand in Kooperation mit dem Geest-Verlag und wurde von Alfred Büngen betreut. Er erdachte eine fiktive Schulklasse, jeder Schüler übernahm eine Rolle, in die er die gesamten zwei Jahre immer wieder schlüpfte. So entstand ein sehr vielseitiges, erhellendes und zuweilen auch beklemmendes Rollenspiel.
Aus einem der Jungen – es sind 18 an der Zahl und zwei Mädchen – spricht auf einmal der überzeugte Nationalsozialist – einzig und allein, weil es seine Aufgabe war, sich in einen solchen Charakter hineinzuversetzen. Und auch, wenn dies nicht seine persönlichen Ansichten sind, nimmt er die Herausforderung an. So sprechen auf einmal zaudernde, sich aktiv wehrende, überzeugte und gezwungene, junge Menschen aus den Schülern des Kurses FG1.
Neue Form des Erinnerns
Den Auftakt zur eigentlichen Lesung macht Yannik Schleß mit seinem Text „Es ist Nacht“. In der folgenden Stunde lesen beinahe alle Schüler einen ihrer eigenen Texte vor – oder sie lassen sie von Mitschülern lesen.
In der zweiten Hälfte der Premiere spitzt sich die Thematik des Buches zu – die Charaktere werden gemustert und der erste Gefallene ist zu betrauern. Das Ende ihrer Geschichte geben die Schüler jedoch nicht preis.
Zwei Abschlussworte sollten noch Beachtung finden: Alfred Büngen verweist auf die manchmal falsche Erinnerungskultur in Hinblick auf den Nationalsozialismus. Oft werde diese in Stein und Metall gemeißelt. Aber bleibe sie dabei wirklich lebendig? Eher nicht, also sollten neue Formen des Erinnerns geschaffen und andere Wege gegangen werden. Dieses Buch sei dafür ein sehr positives Beispiel. Christine Metzen-Kabbe schloss die Veranstaltung mit der Ankündigung, die Fotodokumentation sowie das Buch mit auf ihre Lesungen zu nehmen.