Besondere Begabung als besondere Herausforderung
- Zuletzt aktualisiert am 01. April 2014
- Veröffentlicht am 23. Juni 2009
- Geschrieben von Sven Hunger-Weiland (Hunte Report)
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Ammerland. Großer Einfallsreichtum, gesteigerter Bedarf an Komplexität oder totale Hingabe an intellektuelle Herausforderungen – nur drei Merkmale, die Kinder mit einer besonderen Begabung auszeichnen. In den Regelschulen werden diese Kinder noch immer nicht adäquat gefördert. Teils, weil man sie schlicht nicht erkennt, teils, weil die didaktischen Möglichkeiten fehlen. Diese Lücke möchte der Kooperationsverbund „Hochbegabung" Westerstede 1 schließen. Jetzt zog sie Resümee der vergangenen drei Jahre.
„Bei zehn Prozent eines jeden Schülerjahrganges wird eine Sonderbegabung vermutet", erklärt Hans-Joachim Müller, Schulleiter der Grundschule Ofen und Mitinitiator des Verbundes. In diesem sind neben seiner Schule die Grundschulen Friedrichsfehn und am Wiesengrund in Bad Zwischenahn sowie die beiden Standorte des Gymnasiums Bad Zwischenahn/Edewecht zusammengefasst. Insgesamt 2.240 Schüler werden von diesen Institutionen betreut. In 2006 gründeten die jeweiligen Schulleiter den Verbund, um in unterschiedlicher Weise mit dem „Problem" der Hochbegabung umzugehen: „Eine allgemeine Hochbegabung gibt es nicht. Zumeist sind es Teilbereiche, in denen die Schüler besondere Stärken aufweisen. Das zu ermitteln, ist eine Herausforderung."
Innerhalb des Verbundes ist man dazu übergangenen, auf die üblichen Intelligenzquotiententests zu verzichten. Stattdessen sollen die Schüler über eine spezielle pädagogische Diagnostik ausgefiltert werden: „Besondere Begabung befähigt zwar zu höheren Leistungen, ist aber selbst noch keine", betont Müller. In den Schulen selbst wird in unterschiedlicher Weise mit den Schülern verfahren. So setzt die Grundschule Friedrichsfehn beispielsweise auf sogenannte Pullout-Kurse – spezielle Angebote, die parallel zum Unterricht laufen: „Die Kinder erhalten beispielsweise die Möglichkeit, mit verschiedenen Mitteln zu experimentieren, um sich selbstständig eigene Experimente und ganze Versuchsreihen aufzubauen und sie auszuwerten", erklärt Schulleiter Fortkamp. Vor allem die Geduld und die Teamarbeit würden gefördert. In der Grundschule Wiesengrund bleiben die Schüler im Klassenverbund und werden mit speziellen Aufgaben betraut: „Sie können so nicht nur ihren ungestillten Wissensdurst befriedigen, sondern auch den anderen Schülern helfen", erklärt Schulleiter Garbin. Einen gemischten Weg geht die Grundschule Ofen.
Das Gymnasium setzt auf verschiedene Möglichkeiten wie Pullout-Kurse, Arbeitsgemeinschaften oder auch Blockseminare: „Wir müssen natürlich auf die zeitlichen Bedürfnisse unserer Schüler eingehen, die durch das verkürzte Abitur eingeschränkt ist für alle Aktivitäten außerhalb des Unterrichtes", so Schulleiter Friedrich. Problem sei hier, aus der großen Anzahl der Schüler die richtigen Kandidaten für Förderprogramme zu ermitteln.
Für die Zukunft wird eine engere Zusammenarbeit mit der Carl-von-Ossietzky-Universität angestrebt, und auch eine engere Kooperation der einzelnen Schulstufen sei erwünscht: „Außerdem arbeiten wir an Methoden, um auch an Real- und Hauptschüler heranzukommen, denn hier schlummert wahrscheinlich ebenfalls unerkanntes Potenzial", so Müller. Inwieweit man auf die Unterstützung seitens des Landes rechnen kann, müsse man sehen. „Zur Zeit stehen unserem Verbund 20 zusätzliche Lehrerstunden zu – für geschätzte 220 Schüler", so Müller. Und mit dem Wegfall der besser ausgestatteten Vollen Halbtagsschulen, zu denen auch die im Verbund angeschlossenen Grundschulen zählen, müsse man sich auch hier umstellen. Wie, und inwiefern zusätzliche Finanzmittel eingeworben werden müssten, steht aber wohl noch in den Sternen.