Fahrt 2002
- Zuletzt aktualisiert am 26. März 2013
- Veröffentlicht am 12. Dezember 2012
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Reiseberichte von Schülerinnen und Schülern:
Reiseberichte von Schülerinnen und Schülern:
Menschen und ihre Mentalität
von Anja Luther 2002
Fulbe – Frauen (Gorom-Gorom)
Die Fulbe, wie auch die Tuareg, waren einst Nomadenstämme, die heute aber mehr und mehr sesshaft werden. Die Frauen der Fulbe sind mir besonders aufgefallen, weil sie ein sehr auffälliges Äußeres haben. Ihre Kleidung besteht aus Baumwollkleidern, die eine schlanke Taille hervorheben, und langen Baumwolltüchern, die sie über dem Kopf nach hinten wegfallend tragen und eines, wie einen Wickelrock, um die Hüfte schwingen. Die Stoffe sind bunt und vielfältig bedruckt, man nennt diese auch „pagné". Unter den Kopftüchern tragen sie in Zöpfe geflochtene Silbermünzen und viele Ketten mit silbernen Anhängern. Sie tätowieren sich häufig die Unterlippe dunkel. Die Fulbe halten sich für heller als der Rest der afrikanischen Völker. Um diesen Unterschied besonders zu betonen, tätowieren sie sich. Sie haben außerdem auch eine andere Gesichtsform. Ihr Gesicht ist schmaler und wirkt dadurch länger. Auf dem Markt erscheinen mir diese Frauen sehr viel stolzer, ehrwürdiger oder auch erhabener, reservierter anderen Frauen gegenüber als die Frauen in der Stadt oder die Mossi-Frauen.
Mossi-Frauen (Tamiga)
In Tamiga waren die scheinbar jüngeren Frauen eher altmodisch europäisch gekleidet. Einige trugen nur Tücher um die Hüften, so dass ihr Oberkörper unbekleidet war. Beim ersten Besuch im Dorf fiel mir gleich auf, dass die Frauen zwar freundlich, aber dennoch eine distanzierte Haltung bewahrten. Eine ältere Frau zeigte uns mit Freude und einem Lächeln, wie man mit einem Stein aus Körnern Mehl herstellt. Andere hingegen guckten uns eher musternd an, irgendwie skeptisch reserviert und dennoch neugierig. Selbst bei der Frau des Lehrers fiel mir auf, dass sie eine eher untergeordnete Rolle spielt, dass es die Frauen im Dorf aber auch gar nicht zu stören scheint, sich in diese Rolle hinein zu begeben. Wir fragten, ob sie nicht mit uns allen essen wolle. Obwohl sie das Essen gekocht und liebevoll auf den Tisch gestellt hatte, verneinte sie mit einem Kichern, so dass man vermuten konnte, diese Frage sei urkomisch und total absurd.
Frauen in der Stadt (Ouagadougou)
In der Stadt scheint es eine Art unsichtbare Grenze zwischen Frau und Mann zu geben. Frauen sieht man meist nur zu zweit und nie mit Männern. Man sieht auch keine Pärchen händchenhaltend oder küssend herumlaufen. Nur ein Pärchen habe ich bemerkt, und das war in der Bank, wo man eigentlich kaum sah, dass man in Ouaga und nicht in einer westlichen Bank war. Frauen liefen dort in Kostümen herum, die Männer trugen Anzug und Krawatte. Nur zwei Dinge erinnerten mich daran, dass ich in in einer Bank in Ouga war. Erstens die Haartrachten der Frauen und zweitens die Hautfarbe. Die Haartrachten spielen hier eine große Rolle. Man sieht die verschiedensten und aufwendigsten Frisuren: mit Kunsthaar, am Kopf entlang geflochten, mit Draht zusammengebunden usw. ...
Es ist Aufgabe der Frau, auf den Markt zu gehen und zu kaufen und zu verkaufen. Oft sieht man sie entweder schwanger, mit Kind oder beides.
Aber nicht nur bei uns, sonder auch in Burkina Faso gibt es Prostitution. Frauen, z.B. aus Ghana, versuchen so, hier für ihre Familie, die in Ghana zurück bleibt, Geld zu verdienen, mit welchen Mitteln auch immer. Meist wissen ihre Familie und ihr Dorf nichts davon. Alles in allem aber strahlen die meisten Frauen eine starke und unbeschreibliche Güte aus.
Kinder und Jugend auf dem Land
Die Kinder werden in den ersten Jahren auf den Rücken gebunden. Oft schlafen sie und man befürchtet, sie könnten gleich aus dem Tuch fallen.
Ältere Kinder sieht man oft im Sand sitzen, mit „einfachen" Werkzeugen hantieren oder Spielzeugautos aus Draht formen. Als wir durch Kongoussi spazierten, ist es nicht selten vorgekommen, dass wir mit wilden „cava"- Rufen begrüßt wurden und darauf hin jedem Kind die Hand geben mussten. Je älter jedoch die Kinder wurden, desto mehr flaute die Begeisterung über unser Erscheinen ab. Es war sogar so, dass man uns mit bösen Blicken empfing, vor allem die Frauen.
Auf unseren Autofahrten sahen wir meist Viehherden mit Jungen als ihre Hüter.
Aber nicht nur solche idyllische Bilder, sondern auch Bilder von dicken Hungerbäuchen und nach außen gewölbten Bauchnabeln werden mir noch lange im Gedächtnis bleiben.
Wenn ich an die Mädchen und Jungen in Tamiga denke, denke ich an die Mädchen, die Getreide im Holzkübel stampfen mussten. Oder auch an die Jungs, die ganz selbstverständlich ein Huhn fingen und rupften. Bei uns wäre es undenkbar, dass ein Achtjähriger ein Huhn tötet, ausnimmt und anschließend rupft.
Kinder und Jugend in Ouagadougou
Typisch für die Stadt ist, dass die Jungen alles, was sich irgendwie verkaufen lässt, unter die Leute bringen. Man fragt sich, wer wohl Taschentuchpackungen einzeln kauft. Aber im Gegensatz zu den um dich herum wuselnden Jungs, sind die Mädchen kaum zu sehen. Kinder werden aber auch dazu benutzt, um durch Betteln ein bisschen Geld herbei zu schaffen. Manche Jungs haben alte Blechdosen um den Hals. Sie laufen neben mir her, flüstern mir auf französisch etwas ins Ohr und ihr herzerweichender Blick lässt mein Herz fast schreien. Aber gibt man einem Geld, muss man allen etwas geben, d.h. man kann keinem etwas geben.
Es gibt aber auch Kinder, denen man gerne etwas in die Hand drückt, weil man genau weiß, dass sie darauf angewiesen sind. Z.B. sahen wir auf dem Markt ein kleines Mädchen, dass an einem Stock einen Blinden führte und um Geld bat. Aber es gibt auch sehr aufdringliche Menschen, Jungs vor allem, die uns durch die ganze Stadt bis ins Hotel verfolgen.
Die Tuareg-Männer (Gorom-Gorom)
Als wir auf dem Viehmarkt in Gorom-Gorom waren, haben wir auch viele Tuaregs gesehen, die mit Ziegen handelten. Mit bunten Gewändern und hohen Turbanen liefen sie stolz und erhaben über den Markt. Wunderschöne Menschen konnte man hier entdecken. Die Tuareg haben im Gegensatz zu den Mossis schmale lange Gesichter. Ihre sonnengegerbten Münder sieht man selten lachen und auch sonst strahlen sie eine gewisse Strenge und Weisheit aus. Ihre Säbel, die sie an ihrem Gürtel befestigt haben, wirken ziemlich bedrohlich und Respekt einflößend.
Männer auf dem Land (Tamiga)
In Tamiga gab es alte Männer, wie den blinden Geschichtenerzähler, der uns ein Lied widmete. Oder den Dorfältesten, der uns im Alter von 102 Jahren mit seinem Humor doch sehr beeindruckte. Wir haben ihm ein langes Leben gewünscht und er antwortete uns, er wisse wohl, dass der Tod nicht mehr weit wäre.
Der Lehrer genoss in seinem Haus ungeahnten Komfort: Er hatte sich eine Solaranlage auf seinem Dach installieren lassen, so dass er abends seine Lampe anschalten konnte. Als er dann noch seinen Schwarzweiß-Fernsehgerät vorstellte, waren wir total überrascht. Am Abend kamen alle Nachbarn und viele Bewohner Tamigas, um in die Röhre zu schauen. Ein Stadtmensch auf dem Land, welcher Kontrast! Auch andere Beobachtungen machten mich wütend und traurig zugleich: Junge Männer trugen T-Shirts mit einem Bin Laden-Konterfei oder das Firmenemblem von Siemens war aufgedruckt.
Männer in der Stadt (Ouagadougou)
Wenn ich an die Stadt denke, denke ich zuerst an unseren Busfahrer und all die Anderen. Denn wenn man etwas fragt, kommt garantiert die Antwort : „ Pas de problème !" Auch wenn man ganz genau weiß, dass es unmöglich ist. Die Männer in der Stadt sind ziemlich anstrengend. Nicht nur, dass sie „baggern" und „dich voll quatschen", sondern die machen dir doch tatsächlich auch Heiratsanträge. Aber im Allgemeinen sind sie sehr, sehr nett und freundlich. Es gibt also, wie überall, solche und solche. Den zentralen Markt haben wir lieber gemieden und später stellte sich heraus, dass das auch nicht die schlechteste Idee gewesen ist. Denn als ein Taxifahrer nicht weiter fahren wollte, sind die Menschen auf ihn losgegangen wie hungrige Löwen auf eine Gazelle.
Man sieht in der Stadt hauptsächlich ganz junge oder ganz alte Menschen. Dabei muss ich aber zugeben, dass das Alter der afrikanischen Bevölkerung sehr schlecht zu schätzen ist. Deshalb kann es gut sein, dass dieser letzte Eindruck täuscht.
Als Weißer in Afrika
von Uta Baroke 2002
"Da sind wir nun", mitten in der Hauptstadt Burkina Fasos, dem Land der sauberen Hände, Ouagadougou. Es war dunkel, aber warm. Die europäische Kälte, der Flug und die zahlreichen Impfungen saßen uns noch in den Knochen, doch die Freude, endlich am Ziel zu sein, machten die bisherigen Belastungen schlagartig zunichte.
Während wir im Flughafen auf unser Gepäck warteten, prasselte heftiger Regen vom Himmel auf die staubige, ausgedörrte Erde herab, doch schon spätestens nach einer halben Stunde war dieses Spektakel wieder vorbei und von dem vielen Wasser nur noch wenig zu sehen.
Am nächsten Morgen hieß es dann: "Mischen wir uns unters Volk und erkunden in Ruhe die Stadt.". Doch leider wurde da nicht viel draus, sich unauffällig unters Volk zu mischen, war unmöglich. Egal, wo man war, man fiel auf. Unsere Erkundungstour durch die Stadt machten wir natürlich nicht alleine, stets wurden wir von Händlern und unzähligen Augenpaaren begleitet, in unserem Umfeld schien sich vieles um uns zu drehen. Wir standen außerhalb des Geschehens, waren aber gleichzeitig der Mittelpunkt.
Doch noch interessanter und schöner wurde es, als wir die Stadt Richtung Kongoussi verließen. Mit Ouagadougou ließen wir das städtische Leben, den Trubel und den kleinen Rest von westlichem Komfort hinter uns und mussten uns von nun an daran gewöhnen, dass wir nicht jeden morgen warmes oder überhaupt fließendes Wasser hatten. Doch an diese Umstände gewöhnten wir uns erstaunlich schnell. Viele Dinge, auf die man zu Hause viel Wert legte, ergaben in Burkina einfach keinen Sinn mehr: Fön, Haarspray - völlig überflüssig, Deo dagegen: unverzichtbar!
Die Menschen auf dem Land waren freundlicher und neugieriger als in der Stadt. Aus einer sicheren Entfernung beobachteten viele, was wir, die Weißen, machten. Wie wir uns bewegten, miteinander sprachen und lachten. Wir waren jetzt nicht mehr nur die Kunden, die einen Marktbesuch machten, wir waren jetzt eher Gäste oder Eindringlinge. Denn durchquerten wir ein Dorf, hielt das Leben für einen kurzen Moment inne und nahm erst mit unserem Verschwinden wieder seinen normalen Lauf. Die Integration in das Landleben gelang uns nicht, wobei die unterschiedliche Hautfarbe sicherlich entscheidend war.
Ein besonders schöner und zugleich aufregender Teil der Reise war für mich der Aufenthalt in Tamiga; zu sehen, wie die Menschen dort leben und miteinander umgehen, zu sehen, dass noch eine Gemeinschaft besteht, zu sehen, wie Menschen einander helfen, das war einmalig. Es war schön von unserer gewohnten Lebensart so weit weg zu sein, Probleme, die man zuhause für unüberwindbar hielt, wurden schlagartig zur Nichtigkeit. Ein prägender Moment war es für mich, die Schule zum ersten Mal zu betreten, zu sehen, was man aufgebaut hat und wie viel es den Menschen tatsächlich bedeutet. Man kann mit Gewissheit sagen, dass jeder Dorfbewohner freundlich zu uns war. Die Kommunikation zwischen der Dorfgemeinschaft und uns war kompliziert, aber oft sprach schon ein freundlicher Händedruck für sich. So ließen wir Tamiga mit guten Erinnerungen hinter uns und schlugen den Weg über Kongoussi nach Dori ein. Von Dori aus machten wir eine Tagestour nach Gorom-Gorom zu einem riesigen Markt und nach Oursi zu einer gewaltigen Sanddüne. Das Angebot auf dem Markt war überwältigend. Es gab alles zu kaufen, von kleinen Bohnenbällchen bis hin zu Kamelen. Die Händler auf dem Markt waren weder aufdringlich, noch abweisend, so dass es ein Vergnügen war, den Markt in seiner Vielseitigkeit zu erleben. Der Geruch änderte sich an fast jeder Ecke, mal roch es nach gegrilltem Fleisch, mal nach verbranntem Holz oder Gewürzen.
In Oursi angekommen, strömten uns sofort Kinder aus einem kleinen Dorf entgegen mit den Worten: "He, le blanc, donne-moi un cadeau! Un cadeau!". Die Kinder des Dorfes waren es gewöhnt, Besuch von weißen Touristen zu bekommen und verhielten sich dementsprechend fordernd, was die Stimmung unter uns Reisenden sehr drückte. Plötzlich war man nicht mehr der erwartete Gast und Helfer wie in Tamiga, sondern ein reicher, weißer Tourist.
Erst mit der Zeit sah man, wie facettenreich dieses Land ist, die Landschaft, besonders die Menschen, alles steht in einem harmonischen Einklang zueinander. Respekt und Hilfsbereitschaft, Grundvoraussetzungen für ein Zusammenleben sind in unserer "modernen" Welt langsam verloren gegangen. Ich hatte auf meiner Reise das Gefühl, dass speziell in Tamiga diese Grundvoraussetzungen für das Zusammenleben oberste Priorität haben, dass es unter den vorhandenen harten Lebensbedingungen nur möglich ist, miteinander und nicht gegeneinander die Zukunft zu sichern.
Die Schule in Tamiga
von Yasmin Gruska 2002
63 tiefdunkle Augenpaare blicken neugierig Richtung Eingang, dünne, kleine Körper erheben sich von den einfachen Holzbänken, und einstimmig wird ein französisches Lied angestimmt. Die Schüler der dritten und vierten Klasse der Dorfschule Tamiga begrüßen uns. Auch wir sind neugierig und schauen uns um. Das sind also die Menschen, denen wir durch unsere Projektarbeit helfen wollen. Und so sieht also die Schule aus, die auch mit unserer Unterstützung gebaut wurde.
Ein großer, rechteckiger Kasten aus Beton, mit kleinen Fenstern und zwei großen, blauen Metalltüren. Die ganze Schule besteht nur aus zwei Räumen, die durch einen kleinen Raum, der als Büro fungiert, getrennt sind. Aber in diesen zwei Räumen können 116 Kinder unterrichtet werden. Jeweils die Kinder der ersten und zweiten Klassenstufe und die der dritten und vierten werden zusammen in einem der zwei Räume unterrichtet. Die Räume sind nur mit dem Nötigsten eingerichtet. Aber das ist hier in Afrika schon viel. Die Kinder müssen nur zu zweit und nicht gar zu dritt auf den schmalen Holzbänken sitzen und der Lehrer hat sein eigenes Pult. Da so viele Schüler zusammen sitzen (im Raum der ersten und zweiten Klasse 53 und im anderem Raum 63 Schüler), läuft der Unterricht meistens nach dem gleichen Muster ab. Der Lehrer sagt oder schreibt etwas vor und die Kinder machen es nach. Übrigens wird im Unterricht französisch gesprochen ( Französisch ist noch auf Grund der Kolonialzeit die Amtssprache Burkina Fasos), aber die Kinder sprechen eigentlich bevor sie zur Schule kommen nur die Stammessprache Moré. Zum Glück beherrschen die beiden Lehrer in Tamiga aber Moré, sowie die französische Sprache. Diese Lehrer wohnen auch direkt vor dem Dorf, ihre Häuser, mit festen Wänden und Dächern, sind im Vergleich zu den Lehmhütten der Dorfbevölkerung luxuriös und wurden auch vom Förderverein finanziert. Ebenso wie die zwei Aborte, die überdacht sind und eine Tür haben und extra für die Schule gebaut wurden.
Das alles so zu sehen, macht uns schon ein wenig stolz, schließlich haben wir alle schon viel Zeit für dieses Projekt investiert, aber am schönsten ist es zu sehen, wie begeistert die Kinder sind. Nach dem Begrüßungslied für uns verteilen wir Bonbons und Luftballons. Viele der Kleinen, die in den ersten beiden Jahrgängen zwischen sieben und neun Jahren und in den beiden anderen Jahrgängen zwischen neun und elf Jahren alt sind, haben solche Dinge noch nie gesehen und bekommen noch nicht einmal das Bonbonpapier alleine geöffnet, geschweige denn die Luftballons aufgepustet. Nach anfänglicher Scheu werden die Kinder immer ausgelassener und der Lehrer muss sie schon bremsen, damit sie sich nicht gegenseitig die Mitbringsel abnehmen. Vor allem die Mädchen können recht rabiat werden und wissen sich gut durchzusetzen gegen die Überzahl der Jungs. Obwohl der Anteil der Mädchen in Tamiga erfreulich hoch ist und über dem Durchschnitt Burkina Fasos liegt, sind sie in der Schule immer noch in der Unterzahl. So besuchen die erste und zweite Klasse 24 Mädchen und die dritte und vierte Klasse 15. In den älteren Jahrgängen gibt es weniger Mädchen, da viele Familien ihre Töchter für die Arbeit zu Hause benötigen, mit der die Jungen nichts zu tun haben.
Aber auch hier vollzieht sich langsam ein Wandel: Viele Familien wollen auch ihren Töchtern eine Schulausbildung ermöglichen, soweit das finanziell überhaupt möglich ist, denn der Schulbesuch in Tamiga kostet Geld, 2000 CFA im Jahr, was zwar umgerechnet nur 3 € sind, aber für die meisten Familien im Dorf ist das sehr viel. Zum Glück werden die Kinder auch dann unterrichtet, wenn ihre Eltern das Geld nicht oder erst später zahlen können.
Zum Abschluss unseres Besuches werden den beiden Lehrern noch Lernspiele, Schreibmaterialien und Springseile für den Sportunterricht übergeben, die sie, nicht ohne eine genaue Erläuterung, wie die Spiel zu handhaben sind , freudig entgegen nehmen. So endet unser Besuch in „unserer Schule" mit dem Gefühl, etwas Gutes getan zu haben, aber auch mit dem Gedanken, noch mehr tun zu wollen. Vielleicht gelingt es ja, den Bau des dritten Klassenraumes im nächsten Jahr fertig zu stellen ...
Stadt – Land
von Rieke Jacobs
Obgleich unsere Reise im eigentlichen Sinne dem Projekt in Tamiga gewidmet war, verbrachten wir dort nur knapp drei Tage und hatten somit auch die Möglichkeit, die Schönheiten und andere Auffälligkeiten, im negativen wie im positiven Sinne, einzelner Regionen Burkina Fasos zu entdecken.
Die Regenzeit war ein Grund, der die Fahrt zu einem Fest für die Augen werden ließ, denn diese hat das sonst so trockene Land in eine grüne Oase umgewandelt.
Die Stationen unserer Tour waren: die Hauptstadt Ouagadougou, die Kleinstadt Kongoussi , das Dorf Tamiga, die Kleinstadt und „das Tor zur Wüste" Dori und schließlich wieder Ouagadougou.
Die Strecken zwischen den einzelnen Orten legten wir tagsüber im Kleinbus zurück und somit konnten wir nicht nur den Wandel vom Stadt- zum Landbild, sondern auch die infrastrukturelle Veränderung der Landschaft mitverfolgen.
Schon in Ouagadougou, wo alles begann, prasselten die neuen Eindrücke auf uns herab und es dauerte seine Zeit, bis man das Gröbste verarbeitet hatte und sich in dieser Großstadt, die für Ammerländer Schüler wie eine andere Welt erscheint, zurechtfand.
Das Leben spielte sich auf den Straßen ab und somit waren diese auch mehr als voll. Tausende Mofas und Mopeds, Fahrräder, veraltete grüne Taxen, Eselskarren und Mercedes-Limousinen quetschten sich nebeneinander durch sämtliche Wege und hüllten alles in eine Wolke aus Abgasen. Im Zentrum dominierte der Verkauf und so waren es Blechhütten, einfache, zusammengezimmerte Verkaufsstände, am Boden hockende Marktfrauen, Schuhputzer oder diverse andere kleine Verkäufer, die das Bild des Stadtinnenlebens prägten. Wir hatten anfänglich den Eindruck, die Straßenhändler hätten es nur auf uns, die weißen Exoten, abgesehen. Die Behausungen der Menschen lagen weiter außerhalb, die Villen der wenigen Reichen waren versteckt und vor den Hotelanlagen postierten Wachen.
Alles in allem ein heilloses und lautes Gewirr, in dem sich ein Fremder erst nach längerer Zeit zurechtfindet, aber in das er auch nie wirklich ganz hineinfinden wird.
Man kann nicht behaupten, dass der Großteil der Reisegruppe sehr traurig war, als wir nach Kongoussi aufbrachen. Die Betonstraße wurde zur roten Sandpiste und dieser folgend fuhren wir an Flächen von hohem Gras, Büschen, Bäumen und Maisfeldern in schwüler Hitze entlang, mussten durch überflutete Straßen geschoben werden, bis schließlich auch Bergketten zu sehen waren. Und alles strahlte in den intensivsten Farben.
Aufgrund einer langwierigen Autopanne kamen wir erst kurz vor der Abenddämmerung am Zielort an. Es war kein Großstadtflair zu erkennen und wir waren überrascht, dort noch ein Hotel zu finden.
Durch Kongoussi führte eine Hauptstraße, an der sich wieder das Marktleben säumte und von der die Wohnviertel abgingen. Die Häuser, die dicht an dicht lagen, waren fast durchgängig aus sandfarbenem Lehm erbaut und in den Gassen liefen überall Ziegen, Rinder und Schweine herum. Alles strahlte eine gewisse Ruhe aus und diese wurde vor allem am Abend deutlich, wenn in der Dunkelheit überall Petroleumlampen die Hauseingänge erhellten. Wir hatten dort einen mehr als angenehmen Aufenthalt. Gingen wir durch die Straßen, kamen uns freudig schreiende Kinder entgegen, denen man bei jeder Begegnung unausweichlich die Hand geben sollte, und überall duftete es nach gegrillten Fleischspießen und Brot.
Die Fahrt ging nach einigen Tagen weiter nach Tamiga. Mit dem Verlassen von Kongoussi kamen wir beinahe sofort in eine noch abgelegenere Gegend Burkinas. Eigentlich nur noch Busch und unwegsame Straßen, die man irgendwann auch nur noch mit der Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h befahren konnte. Der Weg wäre in der Trockenzeit schon schwer passierbar gewesen, aber der Regen hatte die Vegetation wild wuchern lassen.
Das Dorf hat uns alle zutiefst bewegt. Wir hatten zwar vorher Fotos gesehen, aber unsere Vorstellungen waren sehr diffus. Man hat den Eindruck, in einer anderen Welt zu sein, weit weg von der modernen westlichen Lebensart. Es war für mich ein einmaliges Erlebnis, das einfache Leben der Menschen, die trotz der ärmlichen Verhältnissen so viel Zufriedenheit ausstrahlen, für kurze Zeit zu teilen.
Das Dorf gruppiert sich in drei Siedlungen um einen Hügel herum. Die Menschen leben auf engstem Raum zusammen, wobei jeder „Familienhof" mit einer Art Mauer von den Höfen der anderen abgegrenzt ist. Die Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft und demnach ist das Dorf von Feldern umringt. Außerdem sieht man in der Ferne grüne, aber dennoch felsige Bergketten. Ein unbeschreiblicher Aufenthalt!
Die nächste unbekannte Station stellte Dori dar. Auf der Hinfahrt wurden wir Zeugen eines ganz erheblichen Landschaftswandels. Wir befanden uns nun im Sahel. Der Bewuchs war keineswegs mehr so üppig und grün; jetzt waren es eher ausgedorrte Ebenen (je weiter wir in den Norden fuhren), die einen immer weiteren Blick ins Land hinein gewährten, und anstelle der vielen kleinwüchsigen Bäumen und Büsche unserer bekannten Umgebung traten nun die riesenhaften und majestätischen Bäume, wie die Baobabs (Affenbrotbäume), in Erscheinung. Nach einer Sage sollen die Baobabs wie folgt entstanden sein:
Als Gott die Welt erschuf, formte er Mensch, Tier und Pflanzen. Alles wuchs und gedieh und lebte in Frieden. Nur ein Baum, Baobab genannt, der wurde größer und größer und blickte ganz stolz auf die anderen herab. Das erzürnte Gott. Und so packte er ihn an der Krone, riss ihn aus der Erde und pflanzte ihn, die Wurzeln gen Himmel, in den Boden. Seitdem ragen seine Äste bizarr in alle Richtungen des Himmels und tragen nur drei Monate im Jahr (Regenzeit) Laub und Früchte.
Beim seinem Anblick kann man die mystische Funktion, die man ihm zuschreibt, vollkommen nachvollziehen. So gehört er auch zu jedem Dorf, dient als Versammlungs- und Beratungsplatz der Alten und wird vor allem aufgrund der Tatsache, dass in ihm die Ahnen leben sollen, geehrt. Man erhofft sich die weisen Ratschläge der Vorfahren durch die Kraft des Baumes. In einigen Küstenländern Afrikas dürfen sie auch nicht fotografiert werden, da das die Stammesväter erzürnt. Sie haben einen Umfang von bis zu 14 m, wachsen allerdings sehr langsam, können aber trotzdem ihre enorme Größe erreichen, da sie über 100 Jahre alt werden. Dass sie in der Trockenzeit überhaupt überleben, liegt daran, dass sie innerlich aus einer schwammartigen Masse bestehen, die sich bei Gelegenheit voll Wasser saugt, und davon zehrt der Baum in den langen Trockenperioden.
In Dori selbst, dem Tor zur Wüste, war es trotz der Regenzeit heißer als in den vorherigen Orten und auch sehr viel sandiger. In der Region von Dori ist Viehzucht und Viehhandel dominant, da sich hier in der Sahelzone hauptsächlich die Nomaden, die darauf spezialisiert sind, aufhalten.
Bei einem Tagesausflug nach Gorom-Gorom, wo uns ein großer Markt lockte, und nach Oursi, wo wir die hohe Wüstendüne sehen wollten, fuhren wir sogar noch weiter gen Norden. Nun tauchten vereinzelt in der weitläufigen Gegend, geprägt von Geröll, Gräsern, vereinzelten Bäumen und ausgetrockneten, sowie überfluteten Flussbetten, Nomadendörfer der Tuareg und Fulbe auf. Und je näher wir der Marktstadt Gorom-Gorom kamen, desto größere Karawanen von Tuaregs auf ihren Kamelen zogen an uns vorbei. In der Stadt selbst erwartete uns ein bunter und facettenreicher Markt, auf dem ein reges Treiben herrschte.
Oursi überraschte wieder einmal mit einem enormen Kontrast des Landschaftsgefüges. Kurz vor dem Zielort, der Sanddüne, erblickten wir eine endlos scheinende Wasserfläche, die neben Stellen mit Seerosen auch grüne Weideflächen bot. Dann allerdings fuhren wir ein Stück weiter in das hügelige Land hinein und schlagartig war alles Grüne verschwunden und vor uns erschien die riesige Düne, ein ergreifender Wechsel.
Gegen Ende unserer Reise wurde von Dori aus schließlich der direkte Weg zurück nach Ouagadougou genommen, und somit waren wir aus den tiefsten Tiefen und einsamsten Plätzen Burkina – Fasos kommend wieder in der brodelnden Hauptstadt angelangt, wo wir die letzten drei Tage Afrika genossen.
Das Leben in Tamiga
von Claudia Frerichs 2002
Tamiga ist ein Dorf in Burkina Faso (Westafrika). Es liegt zwischen Kaya und Kongoussi. Das Dorf Tamiga gliedert sich in drei kleinere Teile, den sogenannten Cartiers.
Die Einwohner Tamigas gehören dem Stamm der Mossi, dem größten Burkina Fasos, an. Ihre Muttersprache ist Moré und nur sehr wenige sprechen französisch. Sie leben in einfachen runden Lehmhütten, die mit Strohdächern gedeckt sind. Stets bevölkern mehrere Personen diese einfachen Behausungen.
Hauptnahrungsmittel sind Mais und Hirse, den sie anbauen und auf Steinplatten oder in Stampfern zu Mehl verarbeiten. Hühner und Ziegen, die mit den Bewohnern unter einem Dach leben, ergänzen das karge Nahrungsangebot.
Das Projekt „Eine Schule für Tamiga" hat sich nicht nur auf den Schulneubau beschränkt, sondern auch den Bau eines zusätzlichen Trinkwasserbrunnens ermöglicht, so dass drei Brunnen das Dorf mit sauberem Wasser versorgen können. Leider ist einer dieser Brunnen zur Zeit defekt. Das außerdem vorhandene Wasserloch, welches verdrecktes Wasser enthält, wird von den Bewohnern hauptsächlich zum Waschen der Wäsche und für die Körperpflege genutzt. Wurmerkrankungen, die durch unreines Wasser verursacht werden, machen der Bevölkerung zu schaffen.
Auch das enge Zusammenleben von Mensch und Tier bedingt hygienische Probleme. Eine regelmäßige medizinische Versorgung der Bevölkerung ist nicht vorhanden.
Die Dorfbewohner sind einfach, ja ärmlich gekleidet. Viele Männer und Kinder tragen Kleidung, die aus Hilfssendungen stammt. Da zu wenig Kleidung zur Verfügung steht, ist sie auch häufig zerrissen und schmutzig. Die Jugendlichen, die als Gastarbeiter in Ghana Geld verdienen konnten, tragen westliche Kleidung. Die Frauen binden sich bunte Tücher um den Körper und den Kopf. Als Schuhwerk dienen, sofern vorhanden, Sandalen.
Das tägliche Leben in Tamiga ist sehr einfach, überhaupt nicht vergleichbar mit westlichen Standards. Die reale Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten vor Ort kann zur Neuorientierung persönlicher Ansichten über Entwicklungshilfe und die „Dritte Welt" führen. Daher empfehle ich jedem Mitschüler, sich in unsere Projektarbeit einzubinden.