„Wat mööt wi hier smachten“
- Zuletzt aktualisiert am 29. März 2017
- Veröffentlicht am 29. März 2017
- Geschrieben von Maren Christine Kaune
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Religionskurs 10 zu Besuch in der Gedenkstätte „Alte Pathologie“ in Wehnen.
Abends fürsorgliche Mutter und fürsorglicher Familienvater, Ehepartner, Onkel, Tante …, zur Dienstzeit in der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen als Arzt oder Pflegekraft aktiv beteiligt am bewusst herbeigeführten Hungertod von 1500 Patienten. Man musste kein Nazi sein, um in der festen Überzeugung zu leben, dass „unwertes Leben“ und „Ballastexistenzen“ ausgemerzt werden müssen, um einen genetisch gesunden Volkskörper hervorzubringen.
Es war der Sozialdarwinismus, der seit Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem in der Ärzte- und Pflegschaft vorherrschte und im NS-Regime einen radikalen Mitspieler fand. Bereits seit 1936, also drei Jahre vor dem Euthanasiebefehl Adolf Hitlers vom 1. September 1939 (Aktion T4), entzog man den Patienten in Wehnen systematisch die Nahrung und trieb die Menschen dadurch in den gewollten Tod, Gewinnmaximierung inklusive. Eine halbe dünne Scheibe Schwarzbrot am Tag war die Tötungsdosis. Diese „wilde Euthanasie“ nahm in Wehnen ihren Anfang und wurde, nach Einstellung des Euthanasiebefehls im Jahr 1940, in anderen Krankenanstalten Deutschlands nachgeahmt. Das Morden konnte also weitergehen. „Wat mööt wi hier smachten.“ – Dieser Satz entstammt einem Brief, den ein Patient aus der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen an seinen Angehörigen geschrieben hat, und ist zugleich Titel des Buches zur Geschichte der Anstalt während der NS-Zeit, geschrieben von Ingo Harms, Medizinhistoriker der Uni Oldenburg und wiss. Beirat des Gedenkkreises „Alte Pathologie“ Wehnen.
Im Rahmen der Unterrichtseinheit „Kirche im Nationalsozialismus“ besuchten wir, der Religionskurs Jg. 10 von Frau Kaune, die Gedenkstätte „Alte Pathologie“ in Wehnen und wurden dort von Ingo Harms durch die Gedenkstätte geführt. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte der Räumlichkeiten konnten wir in den roten Büchlein stöbern, die auf einem alten Seziertisch ausgelegt sind und in denen Angehörige an die Geschichte ihres in Wehnen getöteten Familienmitglieds erinnern und diesem eine Identität geben. Im Anschluss hörten wir einen Vortrag zur Geschichte der Euthanasie in Wehnen und Oldenburg und kamen darüber in ein intensives Gespräch.
Unsere Eindrücke haben wir in „Elfchen“ (Gedichten aus elf Wörtern) festzuhalten versucht. Eine Auswahl lesen Sie hier:
Hunger
Kranke Menschen
Sie mussten leiden
Nazityrannei bringt Familien auseinander
Trauer
(Fynn)
Euthanasie
„schöner Tod“
es ist schrecklich
beschreibt eine nationalsozialistische Ausrede
UNMENSCHLICH
(N.N.)
Euthanasie
Eiskaltes Verbrechen
Würdigung der Opfer
Heil- und Pflegeanstalt Wehnen
Allgegenwärtig
(Dominik)
Ausgedacht
Viel verheimlicht
Angehörige wurden belogen
Unschuldige Menschen mussten verhungern
Lüge
(Birte)
Euthanasie
„schöner Tod“
Nur ein Euphemismus
Leidende und hungernde Menschen
Grausam
(Daniel)
Unvorstellbar
der Hungertod
egoistisch und menschenverachtend
Wo war das Mitgefühl?
Leiden
(Charlotte & Jakob)